Dr.-Ing. Bernd Iskluth |
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Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger |
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Schäden und Schadensuntersuchung | Tätigkeitsbereich und Kontakt | Aus meiner Arbeit |
Risse an einem Rohranschlußstutzen An einem Rohranschlußstutzen im Rohrleitungssystem einer verfahrenstechnischen Anlage haben sich nach einer Betriebszeit von etwa 10 Jahren bei Montagearbeiten die Bauteilwand durchdringende Risse gebildet. Werkstoff: 42CrMo4, vergütet Während des Betriebs stand der Rohranschlußstutzen unter statischer Zugbelastung in einem gerinfügig korrosiven Medium. Wie die Ergebnisse aus den durchgeführten Untersuchungen zeigen, sind die Risse auf Wasserstoffversprödung während des vorausgegangenen Betriebs zurückzuführen. Voraussetzung für Wasserstoffversprödung ist ein dafür anfälliger Werkstoffzustand, der im vorliegenden Fall durch hohe Härtewerte und ein dem Erscheinungsbild nach kaum angelassenes martensitisches Werkstoffgefüge an der Außenseite des Rohranschlußstutzens gegeben war. Schadensursache war eine ungeeignete oder fehlerhafte Wärmebehandlung des Rohranschlußstutzens bei der Herstellung. |
Untersuchungen und Ergebnisse Nachfolgend werden nur die wichtigsten Ergebnisse aus den durchgeführten Untersuchungen dargestellt. Im Anschluß wurde die Schadensursache durch weitere Untersuchungen verifiziert, weiter eingegrenzt und geeignete Maßnahmen zur Erkennung des festgestellten Herstellungsfehlers im Rahmen der Bauteilabnahme durch den Anlagenbetreiber erarbeitet. |
Abb. 1: Gerissener Rohranschlußstutzen Am Rohranschlußstutzen haben sich ein etwa 95 mm langer Längsriß und zwei vom Ende des Längsrisses ausgehende, etwa 170 mm sowie etwa 130 mm lange Umfangsrisse gebildet. Der Längsriß erfaßt den gesamten inneren Gewindebereich des Rohranschlußstutzens. Die beiden Umfangsrisse sind außerhalb des Gewindes entstanden. |
Abb. 2: Detail zu Abb. 1 Der Längsriß wurde an einer Einkerbung an der Außenseite des Rohranschlußstutzens eingeleitet. Die Bruchfläche zeigt über die gesamte Rißlänge die Merkmale eines verformungsarmen spröden Gewaltbruchs. |
Abb. 3: Detail zu Abb. 1 Die beiden vom Ende des Längsrisses ausgehenden Umfangsrisse weisen zähe Gewaltbruchanteile auf. |
Abb. 4: Rohranschlußstutzen nach dem Zerteilen Der Rohranschlußstutzen wurde durch Sägeschnitte zerteilt und für die weiteren Untersuchungen die Segmente 1 bis 3 und eine Werkstoffprobe W entnommen. |
Werkstoffanalyse An der Werkstoffprobe W wurde die Werkstoffzusammensetzung des Rohranschlußstutzens durch Spektralanalyse mittels Funkenemissionsspektrometer /1/ bestimmt. Die Werkstoffanalyse bestätigt das Vorliegen des Werkstoffs 42CrMo4, Werkstoff-Nr. 1.7225 nach DIN EN 10083-1 /2/. |
Tabelle 1: Ergebnisse der Werkstoffanalyse Werkstoffzusammensetzung des Rohranschlußstutzens, Werte der Schmelzenanalyse nach Abnahmeprüfzeugnis 3.1 und Vorgaben für den Stahl 42CrMo4 nach DIN EN 10083-1 |
Fraktografische Bruchflächenuntersuchung An Segment 1 wurde die Bruchfläche des Längsrisses in unverändertem Zustand am Rasterelektronenmikroskop (REM) /1/ untersucht. |
Abb. 5: Segment 1 in Abb. 4 Bruchfläche des Längsrisses |
Abb. 6: Detail zu Abb. 5 Positionen a und b der Bruchflächenuntersuchung |
Abb. 7: Detail a zu Abb. 6 Im Bereich der Rißeinleitung und daran angrenzend zeigt die verformungsarme, stellenweise mikroduktile Bruchfläche interkristalline Bruchanteile, gekennzeichnet durch klaffende Korngrenzen 1. An den Korngrenzenflächen sind Poren 2 und Mikroverformungslinien 3 zu beobachten. |
Abb. 8: Detail b zu Abb. 6 Am Ende des Längsrisses vor der Gabelung in die beiden Umfangsrisse nimmt der zähe Bruchanteil zu, gekennzeichnet durch Verformungswaben 1. |
Abb. 9: Detail zu Abb. 5 Position c der Bruchflächenuntersuchung |
Abb. 10: Detail c zu Abb. 9 Am anderen Ende des Längsrisses überwiegt ein transkristalliner Spaltbruch 1 mit mikroduktilen Kämmen 2. |
Metallografische Schliffuntersuchung Segment 2 wurde aus dem Bereich der Rißeinleitung eine metallografische Schliffprobe S in Umfangsrichtung entnommen. Die Schliffprobe wurde in Kunststoff eingebettet und nach den üblichen Präparationsmethoden durch Schleifen und Polieren ein metallografischer Schliff angefertigt und dieser am Lichtmikroskop ausgewertet /1/. Die Entwicklung des Werkstoffgefüges erfolgte durch chemisches Ätzen mit 3 %iger alkoholischer Salpetersäure HNO3. |
Abb. 11: Segment 2 in Abb. 4 Lage von Schliff S und Ansicht A |
Abb. 12: Schliff S in Abb. 11 An der Außenseite des Rohranschlußstutzens liegt Martensit vor, dem Erscheinungsbild nach kaum angelassen. |
Abb. 13: Schliff S in Abb. 11 Zur Wanddickenmitte hin ist ein Vergütungsgefüge zu erkennen. |
Abb. 14: Schliff S in Abb. 11 Zum Gewindegrund hin weist das Vergütungsgefüge einen zunehmenden Anteil an inselförmig eingelagertem Ferrit 1 auf. |
Härtemessungen Am Schliff S wurde ausgehend von der Außenseite der Härteverlauf über die Wand des Rohranschlußstutzens durch Kleinlasthärtemessungen HV 0,3 nach Vickers /1/ aufgenommen. |
Abb. 15: Härteverlauf über die Wanddicke An der Außenseite des Rohranschlußstutzens liegt die Werkstoffhärte bei etwa 470 HV 0,3, was nach Umwertung /3/ etwa 447 HB entspricht. Zur Wanddickenmitte hin nimmt die Härte zu und erreicht etwa 2,5 mm von der Außenseite entfernt einen maximalen Wert von etwa 600 HV 0,3, entsprechend etwa 570 HB. Die danach annähernd linear abfallenden Werte liegen im Bereich des Gewindegrundes bei etwa 390 HV 0,3, entsprechend etwa 370 HB. |
Schlußfolgerungen Wie die Ergebnisse aus den durchgeführten Untersuchungen zeigen, sind die am Rohranschlußstutzen entstandenen Risse auf Wasserstoffversprödung zurückzuführen. Der Längsriß wurde an einer Einkerbung an der Außenseite des Rohranschlußstutzens eingeleitet. Die Bruchfläche zeigt dort und im angrenzenden Bereich interkristalline Bruchanteile mit den für Wasserstoffversprödung kennzeichnenden Merkmalen in Form von klaffenden Korngrenzen, Poren und Mikroverformungslinien an den Korngrenzflächen. Stähle sind in der Lage, Wasserstoffatome aufzunehmen. Diese können sich aufgrund ihrer geringen Größe innerhalb des Metallgitters bewegen. Zwischen den vom Werkstoff aufgenommenen Wasserstoffatomen und den Atomen des Metallgitters sind Wechselwirkungen möglich, die zu Änderungen im mechanischen Werkstoffverhalten führen. Bei un- und niedriglegierten hochfesten Stählen können Versprödungserscheinungen auftreten. Die Kerbempfindlichkeit des Werkstoffs und die Empfindlichkeit gegenüber stoßartigen Belastungen nehmen zu. Voraussetzung für Wasserstoffversprödung ist ein dafür anfälliger Werkstoffzustand, der im vorliegenden Fall durch hohe Härtewerte und ein dem Erscheinungsbild nach kaum angelassenes martensitisches Werkstoffgefüge an der Außenseite des Rohranschlußstutzens gegeben war. Wasserstoffatome, die bei der elektrochemischen Korrosion als Zwischenprodukt entstehen, können dann unter bestimmten Bedingungen in den Werkstoff eindiffundieren und durch Aufkonzentration zu einer im Laufe der Zeit zunehmenden Werkstoffversprödung führen. |
Quellen
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